Mit Betroffenheit und großer Trauer mussten die Mitglieder des Naturschutzbundes Coesfeld den unerwarteten Tod ihres Ehrenvorsitzenden und Mitbegründers des NABU Coesfeld zur Kenntnis nehmen. Der NABU Coesfeld verliert mit Walter Vest nicht nur seinen Ehrenvorsitzenden, sondern auch eine Persönlichkeit, die sich seit mehr als 40 Jahren unermüdlich mit Sachverstand, Herz und Hand für den Erhalt einer gesunden Landschaft und die Bewahrung von Tieren und Pflanzen in der Natur uneigennützig engagiert hat.
Walter Vest (geb. 07.06.1926, gest. 04.02.2003).
1. Vorsitzender und von 1981-1992. Ehrenvorsitzender.
Die Naturkunde war sein Hobby. Er hat sie nicht als Fach studiert. Sie war ihm als "Pflänzchen" in die Wiege gelegt worden. Aufgewachsen in seiner mit Naturschönheiten versehenen schlesischen Heimat in Löwenberg wollte er Pharmazie studieren. Doch die Nachkriegsumstände hinderten ihn daran. Nach der Vertreibung landete er auf einem westfälischen Bauernhof bei Warendorf. In Westfalen begann er mit einem Lehrerstudium. Nach bestandenem Examen wurde er bald einer kleinen dreiklassigen Landschule bei Coesfeld zugeteilt. Nach vier Jahren wurde er mit einer Lehrerstelle an der Johannesschule in Billerbeck betraut. Mit den Schülern verbrachte er viele Stunden in der heimischen Natur.
Bald absolvierte Walter ein Zusatzstudium und erwarb die Lehrbefähigung für Realschulen, u.a. im Fach Geographie. In Billerbeck übernahm er die Rektorstelle und damit die Schulleitung der dorfeigenen Johannes-Volksschule, die er 20 Jahre innehatte. Der Sohn seines damaligen Hausarztes zeigte ihm die heimische Natur. Im Letter und Merfelder Bruch waren Großer Brachvogel, Uferschnepfe und Kiebitz zu Hause. Auf jeder dritten Hecke saß der Neuntöter auf der Warte. Die Natur veränderte sich jedoch recht bald, als die Bruchlandschaft infolge des Flurbereinigungsverfahrens der 50er-Jahre umgewandelt wurde. Recht bald begriff er den Zielkonflikt zwischen Ökonomie und Ökologie und begann sein Hobby unter einem anderen Gesichtswinkel zu betrachten. Er zog daraus die Konsequenzen und wurde zum Naturschützer.
In den 60er Jahren gab es noch keine Verbände für Natur- und Umweltschutz im Kreisgebiet. Walter löste Dr. Hans Hüer aus Gescher im Amt des Kreisvertrauensmannes für Vogelschutz ab und wurde mit vielen ehrenamtlichen Aufgaben betraut. Außerdem beteiligte er sich am Bestandserhebungsprogramm der Staatlichen Vogelschutzwarte, so z.B. am Zählprogramm der Arten Schwarzspecht, Hohltaube, Wald-schnepfe. Sein Lieblingsgebiet war der Feuchtwiesen- und Limikolenschutz im Heubachgebiet. Im Jahre 1975 erließ die Landesregierung NRW erstmalig ein "Gesetz zur Sicherung des Naturhaushaltes und zur Entwicklung der Landschaft" - kurz Landschaftsgesetz (LG) genannt. Im Kreis Coesfeld wurde ein Landschaftsbeirat, bestehend aus ehrenamtlichen Mitgliedern, gegründet, in dem Walter Vest Mitglied wurde. Hier setzte er sich in vielen Stunden für die Natur im Kreis Coesfeld ein: Landschaftswacht, Naturschutzgebiete, Landschaftspläne, um nur einige Themen zu nennen.
Es war im Winter 1980/81 als Walter in der Familienbildungsstätte Coesfeld einen naturkundlichen Vortrag hielt und hier seinen ehemaligen Schüler Winfried Rusch traf. Dieser schlug seinem ehemaligen Lehrer vor: "Es ist an der Zeit, dass wir einen Verein für den Naturschutz gründen!" Mitte 1981 war es dann so weit, der Naturschutzverband formierte sich mit dem Vorsitzenden Walter Vest. Nun hatte der Naturschutz im Kreis viele Mitstreiter. Bis zum November 1992 nahm er die Aufgabe des ersten Vorsitzenden des NABU wahr.
Die Aufklärung der Öffentlichkeit über Umwelt- und Naturschutzprobleme ist eine vorrangige Aufgabe der Verbände. So gab es von Anfang an eine Informationsschrift des NABU Coesfeld. Recht bald folgte der "Kiebitz" - mit Naturschutznachrichten aus dem Kreis Coesfeld. In über 220 Artikeln vermittelte Walter den Menschen im Kreis Coesfeld seine Liebe zur Natur, die das Spektrum des Arten-, Natur- und Umweltschutzes widerspiegelte. Durch das unermüdliche Engagement Walters war der NABU im Kreis Coesfeld ein Sprachrohr für die Natur geworden. Hierfür wurde Walter Vest auch mit der Silbernen Ehrennadel des NABU ausgezeichnet.
Am 29.2.1988 erhielt Walter Vest für den ehrenamtlichen Einsatz in Sachen Natur das Bundesverdienstkreuz am Bande. In seiner Laudatio stellte der Landrat des Kreises Coesfeld heraus, dass Walter Vest sich schon zu einer Zeit zum Anwalt für Natur und Umwelt gemacht hatte, als Umweltschutz für die meisten noch ein Fremdwort war.
Sein Vermächtnis hat er 1996 aus Anlass seines 70. Geburtstages in einer Sonderausgabe des "Kiebitz" veröffentlicht: "In unserer Hand liegt unsere Erde".
"Unsere Landschaft ist zerstörbar, sie ist aber nicht vermehrbar. Bei der immer größeren Inanspruchnahme der Natur durch unsere Industriegesellschaft müssen sich immer mehr Menschen immer weniger unzerstörte Landschaft teilen". "Global denken - lokal handeln, denn in unserer Hand liegt unsere Erde" -. Das ist eine seiner Botschaften an seine Mitstreiter und die Menschen im Kreis Coesfeld.
Der Naturschutzbund Coesfeld wird Walter Vest sehr vermissen und sein Andenken in Ehren halten.
Winfried Rusch, Lindenstr. 6, 48727 Billerbeck