Mit 86 noch auf Fledermaus-Pirsch

Fledermausexkursion in einem Eiskeller in der Nähe von Coesfeld


Ganz vorsichtig setzt Hans Haufe einen Fuß vor den anderen. Die Treppenstufen sind ausgetreten. Es geht steil bergab in den Eiskeller an der B 525 in Coesfeld-Harle. Die Taschenlampe in der Hand leuchtet er voraus. Ein schwarzer Schatten kreist an der Decke. Blitzschnell. Dann ist er auch schon wieder verschwunden. "Das ist schon die Erste!"

 

Der 86-Jährige lächelt. "Sie erkunden, wo sie den Winter über verbringen können", berichtet er. Ein paar Schritte weiter leuchtet er die Wände ab. Er kennt fast jeden Winkel in diesem alten Gemäuer, in dem bis vor dem Krieg Eis für eine Coesfelder Brauerei gelagert wurde. Er weiß, wo sich Fledermäuse gern niederlassen.

 

111 Jahre - ein Schnapszahl-Jubiläum feiert der Naturschutzbund in diesem Jahr. Einer der ältesten Aktivposten des Kreisverbandes Coesfeld ist Haufe. Zwar hat er die offizielle Zuständigkeit für den Fledermausschutz längst an das Coesfelder Ehepaar Heinz und Marita Kramer abgegeben - aber lassen kann er von diesen faszinierenden Tieren nicht. "Mindestens einmal im Jahr hole ich ihn noch ab zu einem Kontrollgang im Eiskeller", lacht Heinz Kramer, während die beiden an Wasserrinnen vorbei durch den dunklen Gang stapfen. Jede Ritze wird überprüft. Dann der erste ganz leise, aber fröhliche Aufschrei von Haufe: "Gibt`s doch nicht. Da sitzt schon eine." Kramer kommt näher. "Eine Wasserfledermaus", sagt er, nachdem er das Tier, das versteckt in einer Spalte hängt, näher inspiziert hat.

 

Dieses Jahr sind sie früh eingezogen in ihr Winter-Domizil. Zwei, drei, vier ... - auf dem weiteren Weg entdecken Haufe und Kramer immer mehr Fledertiere. "Normalerweise", weiß Kramer, "ist hier vor Weihnachten noch gar nichts los". Jetzt hängen schon etwa 20 Tiere ab im Eiskeller. Über 300 werden es in den nächsten Wochen wohl noch werden. "380 Tiere haben wir im letzten Jahr gezählt", so Kramer - "so viel wie noch nie". Der Eiskeller sei beliebt bei den Fledermäusen, besonders bei Fransenfledermäusen. Aber auch Wasserfledermäuse fahren im Winter hier ihren Kreislauf fast auf Null herunter. "Fünf Schläge pro Minute macht das Herz dann noch. Die Körpertemperatur liegt nur noch ein Grad über der Umgebungstemperatur.

 

" Warum sie dieses Jahr so früh sind? "Keine Ahnung!" Beide Experten zucken mit den Schultern. Fest stehe wohl, so Kramer, dass der Klimawandel auch bei den Fledermäusen einiges durcheinander bringt. Er beobachte aber bisher eher den gegenteiligen Trend, dass sie sich immer später abhängen. Vielleicht erwarten die Fledermäuse ja diesmal einen früh einbrechenden und besonders harten Winter... Am Hauptgang nach rechts ab geht ein kleiner Seitenflur, der in eine große Kuppelhalle führt. Irgendwie erinnert das an einen Kirchenraum, obwohl es hier kein Fenster gibt, nur einen Schacht. Aber es hat etwas Majestätisches, Sakrales. Und dann kreisen plötzlich wieder zwei Fledermäuse über den Köpfen. Blitzschnell ändern sie ihre Richtung. Kramer holt ein kleines Gerät aus seiner Tasche, knippst es an. "Tack, tack, tack, tack", kommt ein Knatterton heraus. Damit macht er die Rufe der Tiere, mit denen sie sich im Dunkeln orientieren können, hörbar. Und er kann daran die Art erkennen, die hier ihr Winterquartier erkundet. "Auch Wasserfledermäuse", sagt er. Ihr Wissen haben sich die beiden Fledermausexperten über die Jahre erworben - durch viel Praxis, aber auch aus Büchern. "Ich hatte, als ich in den 80er Jahren anfing, keine Ahnung", gesteht Haufe. Aber es sei jemand im damals noch taufrischen Kreisverband Coesfeld gesucht worden, der sich um Fledermäuse kümmert. "Mach`das mal, ich helfe Dir", hatte ihn das vor einigen Jahren verstorbene Naturschutzbund-Urgestein Walter Vest geworben. Und dann sprang er ins kalte Wasser - und hat es nicht bereut.

 

"Bis heute lerne ich immer noch etwas dazu", berichtet er, während er Ritzen in der Kuppelhalle ausleuchtet. Gern denkt er an die vielen Einsätze in seiner ganz aktiven Zeit zurück. "Ich wurde gerufen, wenn mal eine Fledermaus im Rolladenkasten hing", berichtet er. Viel Aufklärungsarbeit musste er anfangs leisten. Erst nach und nach seien Vorurteile über Fledermäuse dem Schutzgedanken gewichen. Besonders viel Spaß gemacht hat dem Coesfelder, der als Berufsberater tätig war, Schulkinder für die Fledermaus-Welt zu begeistern. Auch heute noch nimmt Kramer ab und an kleine Schülergruppen mit in den Eiskeller. "Das ist wichtig. Nur was man kennt, schützt man auch."

WN 12.10.2010. Detlef Scherle